Ich träume von einem Mädchen. Es ist fünf, vielleicht sechs Jahre alt. Es ist kohlrabenschwarz, hat struppige Locken und riesige Kulleraugen. Es liegt auf einer Eisenpritsche, die mit einem grünen Laken bedeckt ist. Der Raum, in dem sie sich befindet, ist ansonsten leer, kahl und düster.
Das Mädchen hat Angst. Es zittert, aber es bewegt sich kaum. Erst jetzt erkenne ich den Grund. Es ist festgeschnallt mit dicken dunkelbraunen Ledergurten, an den Handgelenken und an den Fußknöcheln. Die Beine sind gespreizt.
Die Tür geht auf. Fünf Frauen treten ein. Ihre Gesichter kann ich nicht sehen. Niemand sagt etwas.
Eine Frau trägt eine kleine, weiße Nierenschale in der Hand. Darin liegt eine Rasierklinge. Die Frauen halten weiße Tücher. Die Beschneiderin stellt sich an das Fußende der Pritsche, die in der Mitte des Raumes steht. Die Frauen gruppieren sich um ihn herum. Immer noch hat keine ein Wort gesagt.
Die Beschneiderin kniet sich vor den gespreizten Beinen des Mädchens nieder, stellt ihre Schüssel auf die Pritsche und nimmt die Rasierklinge in die rechte Hand. Dann führt sie die Hand Richtung Scham des Mädchens.
Mit einem Mal wird der Raum von oben herab mit grellem weißen, gebündelten Licht erhellt. Alle schrecken zusammen und schauen nach oben. Eine Stimme ertönt: „Hört auf damit. Es ist gegen unsere Religion.“
Dann ist es wieder totenstill. Das grelle Licht ist verschwunden. Die Beschneiderin legt ihre Rasierklinge zurück in die Schüssel, sie steht auf und verlässt mit langsamen Schritten den Raum. Die Frauen folgen ihr wortlos.
Die Riemen an den Armen und an den Beinen des Mädchens sind nicht mehr da. Das Mädchen richtet sich auf, reibt sich die Augen und sitzt inmitten einer bunten Blumenwiese. Daneben kniet seine Mutter und sagt: „Es ist vorbei. Es ist für immer vorbei.“
Auf wen hören Menschen auf der ganzen Welt am ehesten? Auf geistliche Führungspersönlichkeiten, davon bin ich absolut überzeugt. Genitalverstümmelung wäre von heute auf morgen kein Thema mehr, wenn die Oberhäupter aller Religion sagen würden: „Die Verstümmelung widerspricht den ethischen Grundsätzen unserer Glaubensgemeinschaft. Lasst ab davon.“ Kein Gesetz, keine Aufklärungskampagne, keine Polizei, keine Gerichtstrafe, keine politische Überzeugungsarbeit hat eine solche Macht wie die kirchlichen Würdenträger. Mit nur fünf Worten – „Es ist gegen unsere Religion“ – könnten sie diesen Horror beenden.
Eine Vision? Vielleicht noch heute. Hoffentlich nicht für immer.
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